Zensur und die Schweiz
Die Zensur entwickelt sich im Westen zu einem grossen Problem. Formell ist die Rede- und Meinungsfreiheit in Artikel 16 der Schweizer Verfassung verankert und Zensur ausdrücklich verboten. Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches schränkt die Meinungsfreiheit jedoch ein, indem er Diskriminierung und Hassreden gegen Menschen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verbietet. Die Einschränkungen der Meinungsfreiheit gehen aber noch viel weiter.
Nach Artikel 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches ist es auch strafbar, den Glauben oder die Religion anderer zu verspotten oder zu beschimpfen. In einem vollbesetzten Theater zu Unrecht „Feuer!“ zu rufen, ist in der Schweiz auch eine Straftat, auch wenn niemand in Panik gerät und nichts passiert. Ebenso ist der Aufruf zu Verbrechen oder Gewalt strafbar, unabhängig davon, ob die Worte die gewünschte Wirkung haben und niemand daraufhin zur Tat schreitet.
Auch die Wiederholung von Äusserungen, die als rechtswidrige üble Nachrede oder Verleumdung eingestuft werden, ist strafbar, selbst wenn klargestellt wird, dass der Wahrheitsgehalt der Äusserung infrage steht. Auch die öffentliche Beleidigung ausländischer Staaten oder ihrer Regierungen ist strafbar. Gleiches gilt für zwischenstaatliche Organisationen. Selbst abfällige Bemerkungen über ein Auto können strafbar sein.
Diese Widersprüche in der verfassungsmässig garantierten Meinungsfreiheit haben zu genau der Zensur und Einschränkung dieses Rechts geführt, die die Verfassung verbietet.
Während der Covid-Pandemie arbeiteten die Schweizer Medien und der Staat eng zusammen und liessen den Skeptikern der Lockdown-Massnahmen und der Regierungspolitik kaum Raum für eine faire öffentliche Debatte. Darüber hinaus wies der CEO von Ringier, Marc Walder, nicht nur seine Untergebenen an, die Massnahmen der Regierung zu unterstützen, sondern unterhielt auch enge Beziehungen zum damaligen Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset. Das führte dazu, dass der Blick bereits vor der offiziellen Bekanntgabe an die Öffentlichkeit Einblick in die Aktivitäten und Massnahmen der Regierung erhielt.
In der Schweiz kann man sich mit Kritik an Gender-Themen die Polizei auf den Hals hetzen oder wegen hasserfüllter und homophober Äusserungen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Die Universitäten liebäugeln ständig mit der Idee, Studierende, die sich nicht den Woke-Dogmen unterwerfen, aus der akademischen Welt auszuschliessen. Nach einem öffentlichen Aufschrei musste die Universität Basel einen ideologischen Test zurückziehen, den sie potenziellen Doktoranden auferlegen wollte und der von ihnen verlangte, sich zu den Prinzipien der «Diversität und Inklusion» zu bekennen. Andere Schweizer Universitäten haben jedoch bereits Sprachregelungen eingeführt, um eine geschlechtergerechte Sprache durchzusetzen und vermeintlichen Sexismus aus der internen und externen Kommunikation zu verbannen. Zu allem Überfluss kam es in Bern auch noch zu gewalttätigen Übergriffen von Linksradikalen auf genderkritische Frauentreffen in einem Restaurant.
Auch Meinungs- und Religionsfreiheit sind bedroht. Nach dem Sieg von Nemo beim Eurovision Song Contest (ESC) überlegt das Bundesamt für Justiz, wie man gegen diejenigen vorgehen soll, die die Idee kritisieren, dass Geschlecht nicht binär ist. Wir können sicher sein, dass, wenn diese Vorschläge nächstes Jahr endgültig verabschiedet werden und der umstrittene ESC in die Schweiz kommt, Zensur vorgeschlagen oder angewandt wird, um unliebsame Abweichungen von gewissen LGBTQ+-Standpunkten zu verhindern. Sogar der Schokoladenhersteller Läderach wird unter Druck gesetzt, weil sein ehemaliger langjähriger Chef angeblich homophob und frauenfeindlich ist. Einige seiner Geschäfte wurden von linken Aktivisten verwüstet.
Auch die künstlerische Freiheit ist gefährdet. Künstler, die Dreadlocks tragen, werden mit der Begründung, sie würden sich nicht-westliche kulturelle Frisuren aneignen, an Auftritten gehindert. Wenn ein Künstler oder Komiker unpopuläre Ansichten vertritt, kann er davon ausgehen, dass er von Engagements ausgeschlossen und von seinen Kollegen und Berufskollegen geächtet wird.
Auf globaler Ebene droht die EU Elon Musks X mit Geldstrafen oder sogar einem vollständigen Verbot, wenn bestimmte Beiträge auf der Plattform nicht als «Desinformation» oder «Hassrede» zensiert werden. Im August dieses Jahres wurde der Gründer und Eigentümer von Telegram, Pawel Durow, in Paris verhaftet, weil sein Unternehmen bestimmte Nutzer nicht zensierte. Die Kriminalisierung von Hassreden schreitet in Europa rasch voran und bedroht das Recht der Bürger, ihre Meinung zu äussern. Im Gegensatz zu Musks oder Durows hartnäckigem Widerstand gegen solche Zwänge scheinen andere Social-Media-Plattformen wie Facebook bestrebt zu sein, sich an den strengen Digital Services Act (DSA) der EU zu halten. Der DSA verpflichtet grosse Social-Media-Unternehmen, illegale Inhalte zu entfernen, die als Hassrede oder Desinformation eingestuft werden. Auch die Schweiz könnte von dieser Gesetzgebung betroffen sein, zumal Schweizer Politiker darüber nachdenken, wie der DSA der EU auf nationaler Ebene umgesetzt bzw. eingehalten werden kann.
Aber nicht alle sind überzeugt, dass Zensur und Einschränkung der Redefreiheit nur in der Schweiz ein Problem darstellen. Deshalb präsentiert die FSUS eine Auswahl von fünfzehn Beispielen, die das Problem im weiteren Sinne illustrieren:
- 2020: Die Schweiz führt die sexuelle Orientierung als neues gesetzlich geschütztes Merkmal ein.
- 2020: Der Kardiologe Thomas Binder wurde in Wettingen verhaftet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, weil er der Covid-19-Pandemie und den staatlichen Massnahmen dagegen skeptisch gegenüberstand. Als die Psychiaterin Binder fragte, in welchem Jahr wir uns befänden, um seinen Geisteszustand zu überprüfen, antwortete er: «1984». Auch sein Twitter-Account wurde für 22 Monate gesperrt.
- 2020: Instagram hat einen Clip vom Konto der SVP auf der Plattform entfernt, der ein kleines Mädchen zeigt, das sich über die Masseneinwanderung beschwert. Der Clip wurde wegen «Hassrede» entfernt.
- 2021: Die Komikerin Claude-Inga Barbey musste ihre Stelle bei Le Temps aufgeben, weil sie Videoskizzen produziert hatte, die von Aktivisten als anstössig empfunden wurden. Barbey hatte Witze über Geschlechtsumwandlungen gemacht und Stereotypen über Asiaten dargestellt.
- 2022: Dirk Helbing, ETH-Professor für computergestützte Sozialwissenschaften, wies darauf hin, dass Algorithmen und Menschenwürde in Ländern wie China, die ein Social-Credit-System haben, im Konflikt stehen. Studierende nahmen Anstoss daran, dass Helbing im gleichen Satz vor unangemessenen Verallgemeinerungen über Schweine, Terroristen und Chinesen warnte, und warfen ihm Rassismus vor. Es gab Morddrohungen gegen Helbing. In einem offenen Brief forderten Studenten eine Bestrafung Helbings und ein verpflichtendes Antirassismus-Training. Nachdem sich Helbing bei seinen Studenten entschuldigt hatte, wurden die Forderungen des Briefes fallen gelassen.
- 2022: Die Philosophin und Psychotherapeutin Carola Meier-Seethaler wurde wegen angeblicher Transfeindlichkeit in einer Ausstellung zensiert, indem unliebsame Passagen aus ihrem Video und Text herausgeschnitten und ihre Beiträge anonymisiert werden sollten. Meier-Seethaler zog sich daraufhin aus der Ausstellung zurück.
- 2022: An der Universität Genf wurde der Vortrag der Psychoanalytikerinnen Caroline Eliacheff und Céline Masson aufgrund von Beschwerden von Transgender-Aktivisten abgesagt, die sie als transphobisch einstuften. Weniger als einen Monat später wollte Eric Marty, Literaturprofessor und Essayist, sein Buch über den Begriff des Geschlechts an der Universität Genf vorstellen. Doch sein Vortrag wurde von LGBT-Aktivisten verhindert, die mit Töpfen und Pfannen klapperten, ihn bespuckten, mit Wasser übergossen und so weiter.
- 2022: Das Tageszentrum Lilienberg hat eine Veranstaltung von Kontrafunk, einem konservativen Online-Radiosender, abgesagt. Die Absage erfolgte trotz bestehendem Vertrag und 90 angemeldeten Gästen, weil man eine Rufschädigung von Lilienberg befürchtete.
- 2022: Der österreichische Gitarrist Mario Parizek sollte in einer Bar in Zürich spielen. Da er jedoch Rastalocken trug, beschwerten sich die Gäste der Bar, dass sie sich mit einer solchen kulturellen Aneignung nicht wohlfühlten. Die Bar sagte Parizeks Auftritt ab. In Bern wurde der Auftritt der Band Lauwarm aus den gleichen Gründen abgesagt.
- 2023: Alain Bonnet, alias Alain Soral, wurde vom Bundesgericht wegen Diskriminierung und Aufstachelung zum Hass gegen eine Journalistin aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu 40 Tagen Gefängnis verurteilt. Er hatte die Journalistin eine «fette Lesbe» und «gestörte» «Queer-Aktivistin» genannt.
- 2023: Im Kanton Waadt wurde ein Werbeplakat für einen Toyota Prius verboten, weil es eine Frau in sexualisierter Pose zeigte. Eine kantonale Kommission hatte das Plakat als sexistisch eingestuft.
- 2024: Eine Zürcher Richterin hat gerichtlich durchgesetzt, dass die Weltwoche einen Artikel, der sich kritisch mit der Richterin auseinandersetzt, von ihrer Website entfernt.
- 2024: Debanking erreicht die Schweiz. Ein SVP-Funktionär wollte bei der Zürcher Kantonalbank ein Konto eröffnen, wurde aber wegen seiner Parteizugehörigkeit abgewiesen.
- 2024: Sanija Ameti schiesst mit einer Schusswaffe auf ein Bild von Jesus und Maria und postet Bilder davon auf Instagram. Nicolas Rimoldi, Präsident von «Massvoll», und die Junge SVP reichen gegen Ameti Strafanzeige wegen Blasphemie und Aufruf zum Hass ein. Die Junge SVP will zudem verhindern, dass Ameti an der Universität Bern promoviert.
- Die Zukunft: Die EU arbeitet im Rahmen des Digital Service Act (DSA) mit grossen Social-Media-Unternehmen zusammen, um hinter den Kulissen heimlich Beiträge zu zensieren, die den Behörden nicht gefallen. Die Schweiz läuft Gefahr, diese zensurfreundliche Gesetzgebung nachzuahmen.